September 5

Vorbericht – Velofondo 24 Hours Oschersleben

24 Stunden lang Sporttainment, Laktatgarantie, Rennaction und Asphalt auf einer der schnellsten Strecken Europas. Das ultimative Erlebnis in der Motorsportarena Oschersleben.

So verspricht es zumindest der Veranstalter. Und ich als Einzelstarter mittendrin statt nur dabei. Mit der Vision, den Versuch zu starten, ob es möglich ist, 24 Stunden am Stück Rad zu fahren und nur zum Pillern abzusteigen.

Wie bei allen Langstreckenveranstaltungen machen sich kurz vor dem Start Zweifel breit … Habe ich genug trainiert? Habe ich alle Situationen ausreichend simuliert? War die längste Fahr lang genug? Bin ich fit? Habe ich an alles gedacht?

Hinter mir liegen 19 Wochen Rennvorbereitung, die mit der Rhein-Tour im April dienen Jahres begonnen haben. Dabei habe ich insgesamt

112,5 Stunden im Sattel gesessen,

2.814 Kilometer gefahren und

54.984 Kalorien verbrannt.

Die Vorbereitung verlief gut. Allerdings hatte ich auch einen gehörigen Dämpfer hinzunehmen. Am 27.07. standen 9 Stunden Grundlagenausdauer auf dem Programm. Die Wettervorhersage war hervorragend und ich hatte mir eine schöne Strecke ausgesucht – den Weserradweg runter bis Holzminden und dann über Horn-Bad Meinberg und Lemgo nach Bad Oeynhausen, wo es anschließend mit Annika in die Sauna gehen sollte. So der Plan.

Die Wettervorhersage hielt, was sie versprach … strahlender Sonnenschein bei heißen Temperaturen. Um 10:00 Uhr (mit reichlich Verspätung) ging es los und ich merkte schon nach kurzer Zeit, dass die Beine an diesem Tag nicht gut waren. Aber es waren ja `nur` 9 Stunden und am Ende wartet ja die Sauna auf mich.

Die Temperaturen stiegen und stiegen. Der Tacho zeigte zwischenzeitlich 40 Grad in der Sonne an. Langsam gingen die Flüssigkeitsvorräte zur neige und ich wollte an der Tankstelle Trinkflaschen und die -blase wieder auffüllen. Ab an den Kühlschrank, Dose Cola und 4 Liter Volvic raus und auf dem Weg zur Kasse ein kurzes „Sekündchen“ zur Kassiererin. Was war das? Ein kleines Krämpfchen. Wo kommt das denn her? Komisch!?!

Danach ging´s weiter … kurz hinter Bodenwerder erneut Krämpfe in beiden Beinen. Absteigen, wegdrücken, weiterfahren … kurz vor Holzminden erneut Krämpfe, diesmal schon nicht von schlechten Eltern. Absteigen, wegdrücken, weiterfahren … Hinter dem Schloss Corvey habe ich den Weserradweg Richtung Höxter verlassen und musste ein kurzes Stück auf der B239 fahren. Zitat Atze Schröder: „Und das hätte ich besser nicht machen sollen!“ Es war ein leichter, längerer Anstieg. Und dann passierte es … die Krämpfe meines Lebens … beide Oberschenkel gleichzeitig … in die Klickpedalen eingeklickt und im Anstieg … auf einer vielbefahrenen Bundesstraße. Wie auch immer ich das gemacht habe, aber ich habe es geschafft auszuklicken und anschließend an einer Leitplanke mit vorbeirauschenden polnischen LKWs minutenlang versucht die Krämpfe wegzudrücken. Das muss ein echt lustiges Bild gewesen sein. Nach einer gefühlten halben Stunde der zweite Versuch, der mich ca. 10 Minuten hat weiterfahren lassen … und danach das gleiche Szenario. Es hatte kein Zweck mehr … Handy raus, Bahn-App … wie komme ich nach Bad Oeynhausen? … irgendwie gar nicht!!! Handy raus, Annika anrufen …ja, ähm, … kannst du mich vielleicht in Lemgo abholen? Das waren von dort aus noch ca. 50 Kilometer.

So der Plan … langsam weiter fahren, wenig Druck aufs Pedal … zwischendrin mal Beine ausschütteln … und dann kam was kommen musste … der nächste Anstieg! Und es war erneut Schluss mit lustig … absteigen, minutenlanges wegdrücken bei 40 Grad an der Leitplanke und anschließend zu Fuß in Klickies den Anstieg hochgeschoben. Oben angekommen sprangen schon die ersten Anwohner besorgt aus ihren Häusern. Erneute Pause auf der Leitplanke … mit dem Anwohner zusammen Pläne schmieden: Wo ist der nächste Bahnhof? Entweder zurück nach Höxter … NEIN! NIEMALS! … oder noch 14 Kilometer weiter bis Steinheim … aber, es kommt gleich noch einmal eine Senke und dann noch mal ein Anstieg. Ach du scheiße … aber hilft nix … Augen zu und durch. Da ich mich schon ein wenig mit dem Anwohner angefreundet hatte, gab es noch ein eiskaltes Regenerationsalster am Gartenzaun und dann ging es los.

In der Abfahrt stellte ich fest, nicht zu treten und einfach nur rollen lassen geht auch nicht mehr … Krämpfe im Oberschenkel. Leichtes, gleichmäßiges Treten mit ganz wenig Druck auf das Pedal, nur so geht es einigermaßen. Damit habe ich den Anstieg auch mehr oder weniger gut genommen und bin dann der Streckenempfehlung des Anwohners gefolgt und auf der flachsten Strecke nach Steinheim gefahren. Und siehe da … ein alter Bekannter … der Europa-Radweg, den wir auf unserer Deutschland Tour gefahren sind … doch noch ein Happy End?

Denkste! Das waren elendig lange 14 Kilometer. Mit mehrfachen Krampf-Zwangspausen auf der Strecke und dem Horror-Szenario kurz vor dem Ortseingangsschild Steinheim: ein kleiner Anstieg! Direkt vor dem Ortseingangsschild! Was nach dem Ortseingangsschild passierte, kann sich jetzt sicherlich jeder denken … das gleiche noch einmal direkt in Innenstadt von Steinheim, 300 Meter vor dem Bahnhof, meinem vereinbarten Treffpunkt mit Annika, die da schon eine halbe Stunde auf mich wartete.

Ich brauche jetzt eine große Cola!!! …ab zu Mc Donalds! Im Auto Krämpfe überall … auch unterm Fuß … im McDrive raus aus dem Auto … gehen – ging nicht … hinsetzen – ging nicht … hinlegen – ging nicht. Es muss sehr lustig ausgesehen haben: Ich auf dem Bordstein, neben mir die McDrive-Schlange und mir gegenüber der Außen-Bereich mit Big Mac mampfenden Kunden.

Wir waren dann tatsächlich noch in der Sauna, vor der Annika noch ein Foto gemacht hat (wohlgemerkt, da waren bestimmt schon 1,5 Stunden vergangen):

Beim Blick auf mein Klamotten hatte ich auch eine Erklärung für dieses Krämpfe: Das gesamte Trikot, die Hose und die Handschuhe waren weiß vor Schweiß. Ich hatte bei den Temperaturen viele Mineralien ausgeschwitzt und da in ich an der Tanke nur Wasser nachgefüllt habe, damit wahrscheinlich den letzten Rest damit auch noch ausgespült.

Aus Erfahrungen wird man ja bekanntlich klug: Exakt eine Woche später stand der zweite Versuch für die 9 Stunden – bei gleichen, heißen Temperaturen – an. Ausgestattet mit Mineralien-Tabletten und Flüssigmagnesium hatte ich mir dieses Mal zusätzlich eine Strecke zurecht gelegt, die eine 8 um Hartum herum bildet und 80 Kilometer lang ist. Diese wollte ich drei Mal fahren. Damit es nicht wieder passiert, wenn man am weitesten von zu Hause entfern ist, war ich mit diese Streckenführung jetzt maximal 20 Kilometer von zu Hause entfernt.

Das Konzept ging auf. Ich bin die 8 dreimal gefahren, konnte mich zwischenzeitlich immer wieder zu Hause versorgen (siehe Bild unten), habe versucht, noch weniger Druck auf die Pedale zu bringen und habe so in 9 Stunden Netto-Fahrzeit 234 Kilometer weggedrückt und zusätzlich noch die Erkenntnis gewonnen, das eine 8 für den Kopf von Vorteil ist, da man ab der zweiten Runde genau weiß, was noch auf eine zukommt. Auch ein wichtiger Aspekt für den Rundkurs in Oschersleben, was ich eigentlich erst als herausfordernd eingeschätzt hatte.

Durch den Höxter-Rückschlag war die längste Trainingsfahrt nur 10 – und nicht wie geplant 11 Stunden. Dabei habe ich 270 Kilometer gestrampelt – was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 26,89 km/h entspricht.

Jetzt steht noch eine ReKom –Einheit am Donnerstag auf dem Programm und dann geht es am Samstag um 14:00 Uhr an den Start. Nervös bin ich schon. Und ich habe gehörigen Respekt vor der Nacht, da ich mit Schrecken feststellen musste, dass es schon echt früh dunkel und später hell wird.

Mein Ankerlied für die 24 Stunden ist „Forget me not“ von Brian Fallon. Einerseits sollte es mich daran erinnern, dass man 24 Stunden bestimmt nicht aus der `kalten Buchse` fährt, sondern Trainingsfleiß und –disziplin gefragt sind, andererseits aber auch, dass auch das Umfeld ein solches Vorhaben tolerieren und mittragen muss. Daher ein ganz, ganz dickes Dankeschön, an alle die irgendwie beteiligt waren und alle die zurückstecken mussten und akzeptiert haben, „dass ich heute fahren muss“.

Und zusätzlich noch ein riesen dickes Dankeschön an Annika, die mit nach Oschersleben kommt und mich beim Rennen supportet. Ohne dich würde das nicht funktionieren. Vielen, vielen Dank.

Ansonsten ist alles vorbereitet. Der Körper ist trainiert, die Versorgung optimiert, Kette und Kassette sind neu, die Klamotten erprobt, die Stecklichter aufgeladen und die Team-Shirts gedruckt:

Bleibt nur zu hoffen, dass es trocken bleibt und dann rocken wir die Motorsportarena!!!

Wer am Wochenende noch nichts vorhat, ist herzlich eingeladen. Und wer nicht kann, darf mich gerne in Gedanken, mit einem Kommentar auf dieser Seite oder online begleiten bzw. verfolgen. Startnummer 1052 … ich würde mich freuen und das hilft mir alles enorm!

In diesem Sinne … am Samstag ausnahmsweise mal nicht „Kette rechts“ 😉 

Und natürlich wird es wieder einen Rennbericht auf Krawallo.org geben! Versprochen!

 



Copyright 2020. All rights reserved.

VeröffentlichtSeptember 5, 2018 von Torsten Walter in Kategorie "Velofondo 24 Hours Oschersleben

4 COMMENTS :

  1. By Chilly on

    Es ist für mich unerklärlich wie man 24 Stunden auf dem Rad aushalten kann. Wenn das überhaupt einer schafft, dann nur der Krawallo mit weltbester Küchenmietze Annika. Davon konnten wir uns ja schon am letzten Samstag überzeugen 😍 in diesem Sinne halte so lange durch, wie geht🤘🤘🤘 alles Liebe Chilly

    Antworten
  2. By M+S on

    Vorwärts Krawallo, kämpfen und siegen….

    Naja ins Ziel kommen reicht schon 😉

    Die Badestädter drücken alle Daumen!

    Antworten
  3. By Meister Marc on

    Lieber König Krawallo, hier schreibt Meister Marc
    Wenn es einer schafft, 24 Stunden seinem Pferdchen die Sporen zu geben, dann du. Du bist super vorbereitet, hast Kraft wie ein Braunkollebagger und deine Lungenkapazität braucht eine Zusatzversicherung. Und das wichtigste hast du auch:
    Einen ganz starken Willen. Ich bin überzeugt, du wirst es schaffen. Und es ist gut, dass du dich nach unseren vielen gemeinsamen, unvergesslichen Abenteuern endlich aus meinem Windschatten löst😉, und deine Kurhaarfrisur 24 Stunden in den Ostwind hältst. Machet Krawallo. Ich kann leider mit meinem Gefolge nicht bei dir sein, aber sei dir meiner gedanklich Unterstützung sicher. In den Phasen, die schwer werden: Denk zur eigenen Unterhaltung an unsere vielen Geschichten, Weizenbiere, die örtliche Blaumeise, das Brandenburger Tor, Sardinien, die Windschattenschnecke, die Kissenmauer, die Modepolizei, die Liebe in Form einer Backware, die Hexe und gerne einfach an deinen Freund, den Meister Marc. Ich drück dir dir ganz fest die Laktatschwelle. Du schaffst das. Deine Meister Marc

    Achja. Grüß bitte das Boxenluder vom DRK von mir. 😂

    Antworten
  4. By Cornetto-Eis on

    Ich sitze auf meinem Balkon…mit nem Whisky Cola(ist ka nach 11) und drücke dir die Daumen!
    Da du ja gut im Training bist und ich Daumen drücke mache ich mir überhaupt keine Sorgen! 😂💪🥃
    Viel Glück 🍀

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert