Oktober 11

Velofondo – 24 Hours Oschersleben

Geschafft! Mein erstes 24 Stunden Rennen auf dem Rennrad … durchgefahren … 680 km zurückgelegt! Wahnsinn.

Dabei liefen die ersten 19 Stunden wie geschmiert, die letzten 5 Stunden waren anstrengend und die letzten zwei Runden haben keinen Spaß mehr gemacht. 

Aber alles der Reihe nach …

Nach einer sehr unentspannten Anreise mit über die A2 kamen wir mit tüchtig Verspätung in Oschersleben an. Weil es schon so spät war, haben wir unseren Plan kurzfristig noch einmal umgeworfen und uns entschlossen, erst im Hotel einzuchecken, dort etwas zu essen und dann noch zum Akkreditieren zur Motorsport Arena zu fahren.

Das Hotel trug den ehrwürdigen Namen „Da Gigi“.

Was soll ich sagen … es war der Hammer!!! Sowohl die Unterkunft selbst, wie auch Inhaber: Gigi. Wir hatten ein Doppelzimmer gebucht und sind in einem sehr, sehr, sehr geräumigen Dreibettzimmer untergekommen. Als ich abends im Bett lag und zu Annika rüber sah, meine ich, die Erdkrümmung erkannt zu haben – so groß war das da alles.

Gigi erzählte uns, dass der Vorjahressieger auch bei ihm übernachtet habe und dass dieser den inoffiziellen Weltrekord im 24h Rennen im letzten Jahr in Oschersleben aufgestellt hätte.  Den Namen wusste er aber nicht mehr – Christoph Strassser war es offensichtlich nicht! 🙂

Nachdem wir in Gigi´s vorzüglichen Restaurant die traditionelle Vorabend Pasta Party gefeiert haben (der Körper braucht ja Kohlenhydrate für das anstehende Rennen) haben wir uns dann noch auf zur Arena gemacht – erste Eindrücke sammeln, Akkreditieren und schon mal den Krempel fürs Rennen abladen (Gigi meinte, lasst die Räder bloß nicht im Auto – wir sind hier in Oschersleben).

Unsere Nebenbox war schon mit um Julia und Mike vom 2er-Mixed Team Pirate und den RadRaketen aus Chemnitz um Teamkapitän Thomas besetzt, die bereits die Nacht von Freitag auf Samstag in der Box verbringen wollten. Wir hingegen machten uns nach ein wenig Fachsimpeln mit unseren Mitstreitern wieder auf den Weg Richtung Gigi … Sleep-Loading stand auf dem Programm.

Trotz bewährter Hilfe aus dem  Hause AbZ-Pharma hatte ich eine „GINGSO Nacht“ – was selbstverständlich nicht an den Zimmern, den durch Gigi aufgebauten Weltrekorddruck oder einem lauten Schnarchen aus einem Nebenzimmer lag – ich war schlichtweg meeeegaaaa nervös!

Nach einem guten Frühstück bei Gigi … und einer halben Stunde Monolog über Gigis Fahrrad Aktivitäten … ging es dann bei strahlendem Sonnenschein zur Motorsport Arena. Ganz in Ruhe die Box einrichten und langsam auf das Rennen vorbereiten. Wir hatten Box Nummer 30 – ganz am Ende:

 

So richtig viel war noch nicht los in der Arena, so dass wir erst einmal ganz in Ruhe die Strecke inspizieren konnten:

Langsam wurde es voll in der Motorsport Arena, was man nicht zuletzt an der lange Schlage bei der Akkreditierung zu erkennen war (gut, dass wir das am Vorabend schon erledigt hatten). Die Boxengasse lag morgens im Schatten so dass wir uns ganz entspannt hinter der Arena in der Sonne gesetzt haben, um die Renntaktik zu besprechen und die nötigen Rennvorbereitungen vorzunehmen … Startnummer an das Trikot, die Sattelstütze, den Helm …

… und wir haben die Rennversorgung in Form von Flüssigmagnesium- und Mineralienaufnahme ´unter ärztlicher Aufsicht´ nach Maximaldosierung und Zuführungszeitpunkt festgelegt (bloß kein zweites Höxter erleben!):

Per Telefon meldete sich dann noch Mental-Coach Meister Marc und gab mir noch ein paar Renntipps und gute Wünsche mit auf den Weg.

 

Dann gab es noch einen großen Teller Pasta in unserer perfekt eingerichteten Box …

 

… bevor es zum anschließenden Fahrerbriefing ging:

 

 

… und danach wurde es tatsächlich noch einmal etwas hektisch … „scheiße, schon 10 vor 2 … ich muss zum Start … wie komme ich denn da hin … durch die Boxengasse??? Ist da irgendwo offen???… aaaaahhh … „warte, wir müssen noch ein `vorher Foto´ machen …“

Ich habe es aber noch pünktlich in den Startblock geschafft. Es war strahlender Sonnenschein und meinen Ankerlied Forget me not von Brian Fallon lief über den MP3-Player … Konzentrationsphase! Komischerweise war ich in diesem Moment gar nicht sooo nervös … kein Vergleich zu dem Start zum 24 Stunden Rennen am Alfsee.

Getreu meinem Mentalvorbild Wolfgang Fasching hatte ich in der Rennvorbereitung immer wieder das Rennen, alles rund um das Rennen und den Zieleinlauf und die Zeit danach visualisiert. Dabei ging mir in der Vorstellung immer wieder ein Pokal durch den Kopf, den ich (in meiner Visualisierung) immer wieder gesehen habe und der dann anschließend in meinem Wohnzimmer auf der Ablage über dem Fernseher stand. Ein Pokal mit einem Holzsockel und darüber eine runde gläserne Scheibe auf der das Logo vom Velofondo eingelasert war. … sah gut aus.

Ich hatte mich im Vorfeld ernsthaft damit beschäftigt, was zu tun ist, um eventuell einen Pokal zu bekommen. Habe die Vorjahreszeiten genau studiert, nachgesehen, ob sich von den letztjährigen Top Fahrern dieses Jahr auch wider angemeldet hat. – Ein Gesamtplatz unter den ersten hatte ich für mich vollständig ausgeschlossen – unerreichbar! Aber eventuell eine Platzierung unter den Top 3 in meiner Altersklasse? Zwei der Top 5 Fahrer meiner Altersklasse waren dieses Jahr wieder angemeldet – ich kannte die diesjährige Startnummer dieser beiden auswendig. Wenn ich im Startblock nach deren Startnummer Ausschau halten würde, mich die ersten Runden hinter sie hängen und einfach mal gucke, ob ich mithalten kann!?! … aber wenn ich am Anfang gleich zu schnell bin und überpace? Einen Pokal mit nach Hause zu nehmen hat mich sowas von angespornt und angefixt, dass ich den Gedanken nie richtig abschütteln konnte – wohlwissend, dass das eigentlich großer Quatsch ist. Tatsächlich erst auf der Anreise nach Oschersleben habe ich im Gespräch mit Annika diesen Gedanken erst endgültig begraben und hatte für mich klar; NEIN! Ich orientiere mich nicht an anderen – ich fahre MEIN Rennen! Und dann gucke ich, was am Ende dabei rum kommt, bzw. ob ich überhaupt 24 Stunden durchhalten kann. Deshalb hatte Annika auch die Stallorder, mir bis Sonntagmorgen NICHT zu sagen, an welcher Position ich liege!

So habe ich mich dann in der Mitte des Starterfeldes platziert (… und natürlich heimlich nach den beiden Startnummern Ausschau gehalten 😉

Und dann ging es los … 3 … 2 … 1 … Start des 2. Velofondo auf der Motorsport Arena in Oschersleben. Das Rennen begann mit einer Einführungsrunde mit moderatem Tempo durch ein vorausfahrendes Motorrad.

Und dann ging es richtig los … und wie … eine mega schnelles Hauptfeld und ich mitten drin. Hammer, Hammer Hammer … so schnell, dass ich mich schon in der ersten Runde mit dem Worten „das ist mir zu schnell“ etwas zurückfallen lassen habe. Am Anfang zu schnell los zu fahren kann sich auf 24 Stunden nur rächen. Eine richtige Entscheidung wie sich im Laufe des Rennens noch herausstellte.

Annika hatte die großartige Idee, eine WhatsApp Gruppe zum Rennen zu gründen, um allen Interessierten aktuell von der Rennstrecke zu berichten.  Von den Aktivitäten der WhatsApp Gruppe hat Annika laufend berichtet. Darüber habe ich mitbekommen, dass ganz, ganz viele das Rennen verfolgen und mit mir mitgefiebert haben – das hat mir unheimlich geholfen – vielen, vielen Dank noch mal an alle für eure Anteilnahme und den tollen Support. Und auch an Henner für das motivierende Foto hier:

So drehte ich die ersten Runden in kleinen Gruppen, teils in Zweiergruppen, und lerne die Strecke und mein Tempo kennen.

Die Stecke war insgesamt sehr schnell und ließ sich gut fahren. Das Wetter war Bombe und ich rollte mich ein.

Da schoss es mir durch den Kopf … Scheiße, ich habe doch tatsächlich vergessen, die Mineraltabletten vor dem Rennen zu nehmen – das darf doch nicht wahr sein. Da haben wir exakt die Zeiten auf die Verpackung geschrieben und gleich die ersten haben wir vergessen … wenn das so weiter geht.

Nach und nach fanden sich Gruppen und auch ich fand Gruppen, die mein Lieblingstempo fuhren … je größer die Gruppe, umso besser. Blieb diese Gruppe lange zusammen, konnten wir lange schnelles Tempo fahren. So dass ich die ersten Runden um die 06:15 Min. gefahren bin (zum Vergleich: die erste Runde im Hauptfeld habe ich mit 05:45 Min. abgeschlossen).

Zwei Wasserflaschen reichten immer so ca.2 Stunden, so dass ich irgendwann zum Wasserflaschen auffüllen kurz ran fahren mussten. Anfänglich machten wir das direkt an der Strecke und Annika hat die Flaschen durch das Gitter an der Boxengasse gereicht. Dort standen viele Zuschauer – unter anderem auch ein Vater mit seinem Sohn. Den Blick des Vaters werde ich nie vergessen: Neben den beiden Fahrradflaschen hat Annika mir auch zwei Mineraltabeletten (die ich vor dem Rennen vergessen hatte) durch das Gitter durchgereicht, die ich dann auch sofort genommen habe – der Blick des Vaters: zwei große Augen … erschrecktes Gesicht in dem drei Buchstaben standen: E P O ??? Ich konnte es nicht aufklären … hatte ja schließlich ein Rennen zu fahren.

Und dann kann immer das doofe am `kurzen rausfahren´: Du fährst wieder auf die Strecke, blickst dich um und … entweder man hatte Glück und eine Gruppe war im Anrollen oder … nix … gar nix … oder maximal ein langsamer, einzelner Fahrer. Dann musste man sich auch einsam und alleine auf den Weg machen und erst einmal pedalieren, bis die nächste Gruppe an einem vorbeirauschte, der man sich anschließen kann. Manchmal, wenn ich eine richtig gute Gruppe verlassen musste, habe ich zum Nachversorgen exakt 6 Minuten in der Boxengasse verbracht, um mich nach einer Runde dieser Gruppe wieder anzuschließen. Klappte nicht immer, weil die Ausfahrt der Boxengasse noch einen kleinen Schlenker machte und man dann kurz vor der nächsten Kurve wieder auf die Strecke fuhr. Dort war die Strecke schlecht einsehbar.

Das Rennen lief gut … richtig gut für mich. Ich fühlte mich wohl, wusste langsam, wer mein Tempo fuhr, auch welchen 4er-Teams und 8er Teams man sich problemlos anschließen konnte. Man lernte sympathische Fahrer kennen … und auch unsympathische. Ich habe alle ½ Stunde eine Kleinigkeit gegessen und bin Rad gefahren.

Annika hat mich dabei unterstützt wie es besser nicht geht. Annika war irgendwie immer da. Am Streckenrand in der Box, an der Hasseröder Tribüne … mal mit Megafon, mal mit Anfeuerungsrufen, mit frischen Wasserflaschen, mit einem bunten Mix an Essbarem …

Ich fuhr und fuhr und fuhr .. es machte Spaß … mein Körper spielte auch mit und meckerte überhaupt nicht.

Da das Rennen recht spät im Jahr war, wurde es schon sehr früh dunkel. Ich fuhr raus um mir Beinlinge und ein langes Oberteil anzuziehen. Ich blickte auf die Uhr, die im Start/Zielbereich die 24 Stunden runterzählte und rechnete aus, bei welcher Zahl die Sonne wieder aufgehen würde: Ach du scheiße … das ist aber lange … das machte mir in dem Moment ein wenig Angst – waren die Nachtfahrten doch schon in der Vorbereitung nicht so meine Lieblingsfahrten gewesen. Stöhnen hilft nix … da muss ich durch.

Nachtfahrten in der Vorbereitung waren das eine … aber Nachtfahrten im Rennen … im Windschatten … 20 cm hinter dem Hinterrad des Vordermanns … quasi ohne Sicht! Ich dachte Donnerwetter … da muss ich mich aber mega konzentrieren … das kann ja noch was werden … wenn dann vielleicht noch die Müdigkeit dazu kommt …

In der neuen Aufregung und Anspannung habe ich dann auch gleich eine Verpflegung verpennt – und bei der dann folgenden Verpflegung festgestellt, dass das öffnen der Alu-Folie um z.B. meine Reisriegel im Dunkeln bei Tempo 32, 20 cm hinter dem Vordermann eine deutlich andere Herausforderung ist, als im Hellen. Das ging so nicht … da musste ich etwas anders machen. Ich habe mehr Gels genommen, die Nahrung teils uneingepackt in die Trikottasche gesteckt (kommt gut, wenn eine Laugenstande im Trikotschweiß aufweicht) und mehr beim Nachfüllen in der Box gegessen.

Man gewöhnte sich im Laufe der Nacht an das Nachtfahren und die hohe Geschwindigkeit im Dunkeln. Nach der Hasseröder Kurve macht die Stecke drei kleine Linkskurven (von der man die zweite fast immer im Blindflug genommen hat) und danach kam eine langgezogene Rechtskurve. Diese Rechtskurve ist man immer mit voll Speed gefahren. Die Kurve ließ sich auch so richtig gut fahren, weil Sie zum Pfeffern einen richtig schönen Radius hat. Da die Kurve davor die Hassröder Kurve war, habe ich diese Kurve in der nächtlichen Euphorie den Namen „Pfefferröder Kurve“ gegeben … und für mich wird das jetzt immer die Pfefferöder Kurve bleiben.

Langsam aber sicher machten sich Taubheitsgefühle von ständigem Kontakt der Handinnenflächen auf dem Oberlenker bemerkbar. Und das Taubheitsgefühl hatte das Verhältnis vom Gewicht der Fahrradflasche und dem zudrücken der Hände ins Ungleichgewicht gebracht. Ein Automatismus, den man zigfach zuvor problemlos gemacht hat funktionierte nicht mehr. Die Flasche glitt mir aus der Hand und fiel auf die Rennstrecke. Eine volle auch noch … Zum Glück ist aber hinter mir nichts passiert. Ich hatte allerdings eine Flasche weniger … zudem auch noch eine von den beiden neuen, die so gut aussahen 🙁

Irgendwann nachts bekam ich Bauchschmerzen … und irgendwann nachts musste ich zwangsläufig eine natürliche Gewichtsreduzierung am Fahrer vornehmen. … das hat schon einige Gramm weniger aufs Rad gebracht … aber dem nicht genug, eine Stunde später ging das gleiche Spiel noch einmal los. Und immer mit den mit den Klickies durch die schlafende Box, Handschuhe und Trikot aus, Trägerhose runter … und alles wieder zurück … und alles mit zittrigen Beinen, die ja schon ein paar Stunden pedaliert hatten. Aber wenigstens wurden die Bauchschmerzen dadurch etwas besser.

In der Hasseröder Kurve hatte Sportograf eine Kamera mit Selbstauslöser aufgestellt … an der ich alle 6 Minuten vorbei gefahren bin … die stand da die ganze Nacht … alle 6 Minuten „klick klick“ … das nervt … das nervt mega … die müssen doch jetzt bestimmt 140 Fotos von mir haben … gleich trete ich das Ding um!!!

Die Nacht war lang. Gefühlt auch viel länger als am Tag. Zudem waren in der Nacht auch viel weniger Fahrer auf der Strecke. Ich habe die Strecke in Zeitetappen eingeteilt … wenn die Uhr auf 15 Stunden steht … wenn die Uhr auf 13 Stunden steht … 10 … und mich dann jedes Mal mit einer halben Dose Cola belohnt. Herrlich … wie geil eine Cola schmecken kann und wie man sich doch auf etwas freuen kann.

Der Sonnenaufgang ist bei 24 Stunden Rennen für mich immer ein ganz besonderes Erlebnis. Leider in Oschersleben nicht so spektakulär, da genau zu diesem Zeitpunkt der Himmel wolkenverhangen war und der Sonnenaufgang nicht so spektakulär gewesen ist.

Aber … ich fühle mich noch immer gut und hatte immer noch Lust Rad zu fahren. Und das änderte sich 19 Stunden lang nicht. Also bis morgens um 09:00 Uhr. Ab diesem Zeitpunkt zog leichter Gegenwind im Zielbereich auf, die Grade nach der Hasseröder Kurve rollte gefühlt nicht mehr so gut und die ganz kleine Steigung nach der Pfefferöder Kurve wurde jedes Mal zu einer kleinen Rampe. Es wurde anstrengender. Der Nacken fing an zu schmerzen und der Magen wurde auch wieder schlimmer.

Meistens sagt einem der Körper ja unterbewusst was er braucht: „Annika, guck doch mal, ob es in der Verpflegungsbox etwas Warmes zu essen gibt – was ist egal – Hauptsache warm“. … Pasta Pause!

Ich habe zwar kaum etwas von dem Teller gegessen, aber, was soll ich sagen, das hat noch mal kurzfristig einen Schub gegeben. Jetzt noch die restliche Zeit irgendwie wegdrücken.

Die lange Zielgerade mit dem gefühlten orkanartigen Gegenwind fuhr ich jetzt fast immer mit den Ellenbogen auf dem Lenker … Nacken jeweils nach der letzten Kurve nach rechts, links, oben und unten drehen … essen konnte ich fast gar nichts mehr – nur noch Gels … aber die schmeckten auch nicht mehr so wirklich.

Ich habe irgendwann zu dieser Zeit tatsächlich noch einmal zwei Runden eine große Gruppe angeführt und zu meinem eigenen Erstaunen zwischen 10:00 und 11:00 Uhr meine schnellste Runde – im Schlepptaus von vier 4er Team Fahrern – in den Asphalt gefahren … musste danach allerdings sofort wieder abreißen lassen.

Das Fahrerfeld lichtete sich im Laufe des morgens mehr und mehr. Viel 4er und 8er Teams ohne Aussicht auf eine gute Platzierung hatten das Rennen bereits frühzeitig beendet.

Ich lag zu diesem Zeitpunkt auf einem sensationellen neunten Platz. Die Stallorder, mir mein aktuelles Ergebnis nicht vor dem morgen zu sagen, war mit Sonnenaufgang aufgehoben. In meiner Altersklasse lag ich auf Position 2 … der Drittplatzierte meiner Altersklasse war mir dicht auf den Fersen. Annika hatte alles im Blick und konnte anhand der Rundenzahlen genau sagen … „er hat eine kurze Pause gemacht, ist jetzt aber wieder auf der Rennstrecke … du musst einfach nur so weiter fahren und dann kannst du das Rennen als Zweiter in deiner Altersklasse beenden“.

Also gut … einfach (nur) noch zwei Stunden weiter Rad fahren … leichter wurde es nicht und ich spulte die letzten 2 Stunden noch herunter. Ich hatte die langen Klamotten von der Nacht noch an. Zum einen war es nicht mehr so warm wie am Vortag, zum anderen hatte ich keine Lust – und vielleicht auch keine Kraft – mich noch einmal umzuziehen. Die Gummienden der Beinlinge die ein Herunterrutschen vermeiden sollten, hatten meinen Oberschenken zwischenzeitlich einmal herum wund gescheuert. Hätte ich mal doch die Beinlinge ausgezogen …

Die letzten Runden fuhren wir in einer Gruppe von 6 Mann. Mittlereile nicht mehr hintereinander im Windschatten sondern nebeneinander und unterhielten uns dabei über Gott und die Welt.

Die letzten zwei Runden habe ich dann auch nicht mehr als angenehm empfunden … aber es war ja gleich geschafft. „Loss, wir fahren alle nebeneinander über die Ziellinie“ und dann rollte ich eine letztes Mal über die Start- Ziellinie.

… GESCHAFFT! 24 Stunden Rad gefahren … durchgefahren … 680 Kilometer am Stück! Sensationell. Ein geiles, überwältigendes Gefühl.

… genießen, genießen, genießen …

 

 

Ach ja, da war ja noch was … 9. Gesamtplatz … 2. in der Altersklasse … Richtig: SIEGEREHRUNG, Champagnerdusche, Nationalmannschaft, Boxenluder … und vielleicht wirklich der Pokal aus meiner Mentalvisualisierung?

Bei der Siegerehrung hatte ich dann ein echt erstaunliches Erlebnis: zum ersten Mal sah die Fahrer von vorn. Während des Rennens sieht man die nur von hinten oder maximal von der Seite gesehen … ganz komisch plötzlich ein Gesicht zu dem Trikot zu sehen.

Und dann wurden die ersten Fahrer geehrte. … und, haltet euch fest … die Fahrer haben einen Pokal bekommen …. der Pokal hatte einen Socke und oben drauf das Velofondo-Logo, durchsichtig aus Kunststoff, – ich dachte ich traue meinen Augen nicht – ganz ähnlich wie der Pokal in meiner Vorstellung – tricki oder?

Nachdem alle möglichen Kategorien durch waren, kamen wurden die Platzierten der Altersklassen aufgerufen. Leider waren sowohl der Erstplatzierte wie auch der Drittplatziere meiner Altersklasse gar nicht mehr zur Siegerehrung geblieben … so dass ich leider ganz alleine auf dem aus Europaletten gebauten Siegertreppchen stand … schon ein wenig enttäuscht, aber dennoch mit einem stolzen Lächeln den örtlichen Pressefotografen gegenüber. Enttäuscht deshalb, weil ich gerne gesehen hätte, wer der Fahrer auf Platz 1 war und weil es neben der Urkunde leider keinen Pokal für die Altersklassen Platzierten gab.

 

Eigentliche Siegerin war für mich allerdings eine Frau mit einem – sagen wir mal – nicht so aerodynamischen Gesäß und einem Rad am Ring Trikot. Die drehte einsam und allein am rechten Rand mit einem gefühlten Schnitt von unter 20 ihre Runden … Runde für Runde … Stunde für Stunde. Meinen allergrößten Respekt!

Was bleibt von dem Rennen: Noch Tage danach ein tauber rechter kleiner Finger sowie der rechte dicke Zeh und Taubheitsgefühle an einer dritten Stelle, die hier nicht verraten wird.


Und als ich dann am Sonntagabend wieder zu Hause war, wusste ich auch, warum der hier schon seit Tagen vor meiner Wohnungstür stand!


Ganz, ganz fetten Dank noch einmal an alle, die mich in welcher Form auch immer bei dem Rennen begleitet und unterstützt haben. Ohne euch hätte ich das nie geschafft!!!



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VeröffentlichtOktober 11, 2018 von Torsten Walter in Kategorie "Velofondo 24 Hours Oschersleben

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